Lesen und urteilen Sie dann selbst, ob es sich lohnt in der Hölle mit der Fliege zu fischen, oder ob sich daraus nicht ein höllisches Fliegenfischen entwickelt. Wichtig zu erkennen ist, dass beim Fliegenfischen garantiert immer wenigstens einer Freude hat. Der Fliegenfischer, wenn der Lachs, die Forelle oder die Äsche die Fliege nimmt, hängt und sie ihn landen können, der Fisch vor allem dann, wenn er vom Haken kommt. Merke immerhin: Wir kämpfen immer nur für einen Fisch, der Fisch hingegen für sein Leben.
Vom Glück des Misserfolges
Wenn ich Dir unter dieser Überschrift zuerst eine Geschichte von Himmel und Hölle erzähle, ist der Titel trotzdem sehr ernst gemeint: Da war der Fliegenfischer Emil W. aus Bern-Bümpliz, den der Tod weit weg von seinen Lieben beim Abendsprung ereilte (aber nicht am Fischwasser). Weil Emil oft nicht am Fischwasser war, wenn erfischen ging, wurde seine Hoffnung, im Himmel den ersten Vorsitzenden des interplanetarischen Anglerverbands persönlich kennenzulernen, wegen Rutenmissbrauchs nicht erfüllt.
Emil durfte kein himmlischer Petri-Jünger werden, er musste den Lift nach unten besteigen. Der Höllen-Aufsichtsfischer Saulus P. (Petrus wäre in diesem Zusammenhang wohl doch kein passender Name) führte ihn zum River Test, der - wie Irdische wissen . ein ziemlich teurer und wohlgehegter Kreidefluss ist.
Emil sieht herrlichste Ringe so weit sein höllisches Fliegenfischerauge reicht. Schon glaubt er, die Strafe wäre die, dass diese Fische nur dazu da sind, um ihn scharf zu machen - und dann geht nichts. Eine Strafe, die Emil auch von seinen irdischen Abendsprüngen her gut kennt. Emil erkennt obendrein, dass die Ringe ausnahmlos allenfalls von den allerübelsten Plätzen aus zu bewerfen sind. Und Emil bereut zutiefst, dass er nicht öfter fischte, wenn erzum Fischen ging. Dann hätte er jetzt wenigstens mehr Übung. Petrus, sorry Saulus, kann natürlich Gedanken lesen (wie fast alle Teufel) und sagt ganz trocken: „Try it".
Emil traut dem Teufel zwar überhaupt nicht, probiert's aber trotzdem. Der erste Wurf sitzt schon perfekt. Ein guter Fisch beisst vehement, hängt prompt und Emil drillt ihn locker vor den gehörnten Gillie: „It's a good trout, five pounds", sagt der und gibt dem Fisch eins auf die Rübe (Catch & Release ist wohl eher eine himmlische Erfindung, denkt Emil und beginnt schon Gefallen an der Hölle zu finden).Nächster Ring, gleiches Ergebnis, auch beim Fischgewicht. Dritter Ring, exzellenter Trick-Wurf (obwohl Emil auf Erden nicht mal den eingesprungenen Matratzen-Rollwurf richtig hinbrachte), wieder fünf Pfund. Und so fischt Emil noch heute. Stunde um Stunde, Wurf für Wurf, Fünfpfünder um Fünfpfünder. Und wartet wohl in alle Ewigkeit vergeblich, auf den ersten Vorfachbruch - oder wenigstens mal einen Hänger.
Im siebten Jahr der höllischen Fischerei hat Emil den ersten Schon-Tag. Er trifft einen nichtangelnden Teilnehmer seiner letzten irdischen Forellen-Safari nach Rio wieder. Der hat Ringe um die Augen, so tief und blau wie der schönste Bergsee, und nützt den freien Tag ebenfalls für einen Kirchgang. Mit Tränen in den Augen fallen sie mitten im Gedränge einander in die Arme. Emil ringt um Fassung und wiederholt ein Wort, das ihm bei einer seiner irdischen Angel-Touren im ersten Morgenlicht die Frau seines zweitbesten Fischerkameraden ans Herz legte, weil er ihr dauernd die perfekte Rutenhaltung beibringen wollte: „Wenn's zu leicht geht, hat's keinen Segen".
(Gabriel Hebeisen, Schwarze Wolke 127)